römisches Theater und seine Bühnenfassade

römisches Theater und seine Bühnenfassade
römisches Theater und seine Bühnenfassade
 
In der Stadt Rom waren Theater aus Stein bis in die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. verboten: Als ein hoher Staatsbeamter 154 v. Chr. am Palatin einen solchen Bau errichten wollte, verhinderten konservative Senatoren sein Vorhaben und untersagten sogar eine Zeit lang die Errichtung von Sitzgerüsten. Die Begründung, das Volk dürfe nicht verweichlicht werden, war jedoch nur vorgeschoben: Denn da schon das griechische Theater immer auch ein Ort für politische Aktivitäten gewesen war, fürchtete der Senat offenbar ähnliche Verhältnisse in Rom. Dort fanden politische Versammlungen von alters her auf dem Comitium, einem runden Platz nahe dem Forum, oder auf dem Forum selbst statt, wo die Menge allerdings stehen musste und deshalb nicht lange ausharrte.
 
In kleinen latinischen Städten und in Kampanien waren Steintheater dagegen schon im 2. Jahrhundert v. Chr. in enger Anlehnung an die griechischen Theater auf Sizilien und in Süditalien errichtet worden. In Pompeji wurde eines der ältesten bekannten Theater später durch Umbauten dem römischen Typ angepasst. Auch in Rom gab es längst - mindestens seit 225 v. Chr. - Theateraufführungen; am beliebtesten waren Komödien. Man errichtete dafür Holzbauten, die später wieder abgetragen werden mussten. Ein vollkommener Wandel fand in Rom durch Gnaeus Pompeius Magnus statt, der nach seiner siegreichen Rückkehr aus dem Osten und dreifachem Triumph 61 v. Chr. die Zustimmung des Senats für ein Steintheater gewinnen konnte, indem er religiöse Motive vortäuschte: Wie ein Heiligtum sollte sein Theater einen Tempel, zu welchem die Sitzstufen gewissermaßen der Aufgang sein sollten, oberhalb des Zuschauerraums haben. Solche Heiligtümer gab es längst in Latium, zum Beispiel in Palestrina, und auch die alten Theater waren neben einem Tempel gebaut worden. 55 v. Chr. wurde Pompeius' riesiger Bau, dem auch ein rechteckiger Platz mit Säulenhallen vorgelagert war, vollendet. Pompeius nutzte die Ausstattung für seine persönliche politische Propaganda: Den Tempel weihte er der Venus Victrix (»siegverleihende Venus«), die er als seine Schutzgöttin betrachtete; im Theaterbezirk stellte er sein Bildnis auf, außerdem 14 Statuen, welche die von ihm besiegten Völker darstellten. Von nun an sahen die Politiker die Theater als Möglichkeit, die Volksmenge an sich zu binden. So förderten später auch die Kaiser die Theater, in denen sie durch Symbolik und durch ihre Bildnisse bei jeder Aufführung »anwesend« waren - sogar in den Provinzen, in den bald überall Theater gebaut wurden.
 
Das typisch römische Theater stand oft - im Unterschied zum griechischen - ohne Anlehnung an einen Hügel und ohne Erdaufschüttung frei im Raum. Der Zuschauerraum (cavea) wurde dann von einem Unterbau aus Bögen und Gewölbegängen getragen, welche, durch Treppen verbunden, gleichzeitig den Zutritt zu den Zuschauerplätzen boten. Der Grundriss der Orchestra (im griechischen Theater noch ein kreisrunder Tanzplatz für den Chor) wies jetzt nur noch einen Halbkreis oder ein Hufeisen auf, an die sich dementsprechend die ansteigende Cavea anschloss. Für die Würdenträger gab es Sondereingänge zu ebener Erde vorne neben der Orchestra. Sie führten auf beiden Seiten als Tunnel unter der vorderen Cavea von außen direkt zu den Ehrenplätzen in den untersten Reihen. An der geraden Seite der Orchestra lag die erhöhte Bühne, hinter der sich ein rechteckiger Bühnenbau befand, dessen Prunkfassade (scaenae frons) sich zum Zuschauerraum hin öffnete. In und zwischen den zahlreichen, in Etagen übereinander gestellten Säulenvorbauten der sehr hohen Scaenae frons befanden sich Giebel- oder Bogennischen mit Statuen. Marmor, Stuckarbeiten und Malereien erhöhten den grandiosen Effekt. Unten am Bühnenboden öffneten sich in der Scaenae frons meist drei Türen - die mittlere oft als Rundnischenportal gestaltet -, durch welche die Schauspieler aus dem Bühnenhaus heraustraten. Dessen Säle dienten außer zum Umkleiden auch zu allen mit den Aufführungen verbundenen technischen Zwecken. Oft hatte die Scaenae frons zwei nach vorn umbiegende Seitenflügel, die bis zum vorderen Bühnenrand reichten und seitlich mit der Cavea verbunden waren, sodass das Theater einen rundum geschlossenen, aber unbedachten Raum bildete. Die Bühne war oft überdacht, der Zuschauerraum konnte mit einem Sonnensegel überspannt werden. Im Einzelnen variierten die Theater, vor allem in den Provinzen, wo manchmal auch die römischen Bauten an den Hang angelehnt wurden. Wechselnden Bedürfnissen entsprechend wurden viele Theater bis in die Spätantike mehrfach umgebaut.
 
Dr. Dorothea Michel
 
 
Das alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, bearbeitet von Jochen Martin. Mit Beiträgen von Jochen Bleicken u. a. Gütersloh 1994.
 Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Zentrum der Macht. Die römische Kunst von den Anfängen bis zur Zeit Marc Aurels. Aus dem Italienischen übersetzt von Marcell Restle. München 1970.
 Coarelli, Filippo: Rom. Ein archäologischer Führer. Aus dem Italienischen. Freiburg im Breisgau u. a. 41989.
 
Römische Kunst, herausgegeben von Bernard Andreae. Freiburg im Breisgau u. a. 41982.

Universal-Lexikon. 2012.

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